Aus den Daten, die Smartphones über ihre Nutzer sammeln, lässt sich fast alles über diese ablesen: ihr Bewegungsprofil, ihre Kontakte, ihre Liebesbeziehungen, ihre politischen und kulturellen und sexuellen Vorlieben. Und fast alles findet seinen Weg zu Datenanbietern, die mit diesen Informationen handeln. Hinzu kommen Daten aus der Internetnutzung per Computer und vieles mehr.
Das ODIN hat eine Ausschreibung veröffentlicht, mit der es Angebote für das Erstellen und den Betrieb einer Daten-Plattform für die Geheimdienste einholt. Anstatt dass jeder Dienst für den Eigengebrauch Datenpakete einkauft, was oft zu Merhfachkäufen führe, soll künftig nur noch eine Stelle Daten kaufen. Diese sollen dann von allen Diensten genutzt und mit deren KI-Programmen durchforstet werden können. Dazu sollen auch „sensible Daten“ gehören. Das sind nach einer Definition des ODIN Informationen, „die nicht allgemein über eine Person bekannt sind und dazu verwendet werden könnten, dem Ruf, dem emotionalen Wohlbefinden oder der physischen Sicherheit der Person zu schaden“.
Wie Intercept berichtet, soll das Intelligence Community Data Consortium (ICDC), wie ODIN die Plattform nennt, dazu beitragen, die derzeitige „zersplitterte und dezentralisierte“ Beschaffung kommerzieller Daten wie Pings von Smartphone-Standorten, Immobilienaufzeichnungen, biometrische Daten und Inhalte sozialer Medien zu korrigieren.
„Es ist offenkundig, dass die Geheimdienste immer noch an der Mentalität festhalten, einfach alles einzuheimsen, ‚wir werden schon etwas damit anfangen können‘, anstatt auch nur im Entferntesten darüber nachzudenken, nur Daten zu sammeln, die sie brauchen oder für die sie einen bestimmten Verwendungszweck haben“, sagte Calli Schroeder vom Electronic Privacy Information Project dem Magazin.
Das ODIN schrieb laut Intercept in einem Bericht von 2022, dessen Geheimschutz 2024 aufgehoben wurde:
„Der Regierung wäre es nie erlaubt worden, Milliarden von Menschen zu zwingen, ständig Ortungsgeräte bei sich zu tragen, die meisten ihrer sozialen Interaktionen zu protokollieren und zu verfolgen oder lückenlose Aufzeichnungen über ihre Lesegewohnheiten zu führen.“
Der Bericht räumt ein, dass der uneingeschränkte Zugang zu kommerziellen Daten die Macht der Geheimdienste in einer Weise erhöht habe, „die unsere verfassungsmäßigen Traditionen oder andere gesellschaftliche Erwartungen übersteigen könnte“, aber die Geheimdienste könnten „sich diesen Informationen nicht willentlich verschließen“.
Mit Smartphone-Standortdaten, die jeder kaufen kann, der Interesse und genug Geld hat, lassen sich zum Beispiel die Bewegungsprofile von Milliarden Menschen detailliert nachvollziehen, ironischerweise bis hin zu den Arbeitswegen von US-Geheimdienstmitarbeitern, mindestens solange bis das 2022 bekannt wurde.
Die Breite der Daten, die die Geheimdienst Community (IC) interessieren, ist enorm. In der Ausschreibung heißt es:
„Das IC-Datenkonsortium sollte sich auf kommerzielle Informationen konzentrieren, die die wirtschaftliche Sicherheit, die Lieferkette, den Schutz kritischer Infrastrukturen, den Wettbewerb zwischen Großmächten, landwirtschaftliche Daten, Industriedaten, Stimmungsanalysen und Videoanalysedienste betreffen. Rohe Bilddaten sind kein anfänglicher Schwerpunkt des Konsortialmodells. Diese Datentypen können von den Befragten verwendet werden, um Antworten zu formulieren und technische Ansätze zu erklären. Mit zunehmender Größe des Konsortiums werden weitere Datentypen über diese erste Liste hinaus hinzugefügt.“
Da klingt einiges an Wirtschaftsspionage, Sabotage, Erpressung und Bevölkerungskontrolle durch. Emile Ayoub, eine Juristin am Brennan Center der New York University etwa fürchtet, dass solche Daten genutzt werden könnten, um anhand ihrer Standortinformationen und Netzseitenbesuche ausländische Studenten zu identifizieren, die sich möglicherweise an Protesten gegen den Gaza-Krieg beteiligt haben, und diesen dann die Aufenthaltserlaubnis zu entziehen oder nicht zu verlängern.
Wer als Tourist oder geschäftlich in die USA reist, muss davon ausgehen, dass die Grenzbehörden Zugang zu allem haben, was es über sie zu wissen gibt. Im gegenwärtigen Klima in den USA könnte das etwa für Transsexuelle ein Problem sein, aber ironischerweise auch für Menschen, die sich ihrerseits bei der Durchforschung der digitalen Medienplattformen und der „Moderation“ der dort geäußerten Meinungen engagieren. Denn Außenminister Marco Rubio hat Ende Mai ein Einreiseverbot angedroht, „für Personen die dabei mitwirken, Amerikaner zu zensieren“.
Zu den Maßnahmen, die man individuell ergreifen kann, um den Schaden kleiner zu halten, gehört, ein Smartphone nur dann und nur für Anwendungen zu nutzen, für die es wirklich nötig oder sehr vorteilhaft ist, es aber keinesfalls dauernd angeschaltet mit sich herumzutragen und für alles Mögliche zu nutzen, wofür es nur ein bisschen bequemer ist als Alternativen. Auf politischer Ebene gehört dazu, gegen die Zwangsdigitalisierungsagenda der Bundesregierung und der Landesregierungen anzugehen und auf wirksame Maßnahmen, insbesondere sehr harte Strafen, gegen die allgegenwärtigen Verletzungen des Datenschutzrechts im Rahmen der kommerziellen Datenweitergabe für Werbezwecke und anderes zu drängen.